4. Sept.

Foto: Wolfgang Kumm (dpa - picture alliance)

Der Leiter der Leipziger Bezirksverwaltung für Staatssicherheit, Manfred Hummitzsch, sagte am 31. August auf einer Dienstkonferenz bei Stasi-Minister Mielke: "Die Lage ist so, Genosse Minister, nachdem jetzt acht Wochen Pause war - und wir dort außer ein paar unbedeutenden Einzelbewegungen im Vorfeld der Kirche, die wir unter Kontrolle hatten - findet jetzt zur Messe am 4.9. 17.00 Uhr, das erste Mal wieder dieses operativ relevante 'Friedensgebet' statt". Noch tönte er siegessicher: "Die Lage wird kompliziert sein, aber ich denke, wir beherrschen sie".
In dieser vermeintlichen Sommerpause hatte sich eine Verlagerung des Protestes hin zur "Abstimmung mit den Füßen" vollzogen.
Der am 2. Mai begonnene Abbau des ungarischen Grenzzaunes zu Österreich hatte in den folgenden Monaten eine ständig anwachsende Fluchtwelle von DDR-Bürgern über Ungarn in die Bundesrepublik ausgelöst. Auch die Zahl der Besetzer der Prager Botschaft der Bundesrepublik stieg ständig an.
Nach der Sommerpause kam es ab dem 4. September wieder regelmäßig im Anschluss an das Friedensgebet zu Demonstrationen und anderen Aktionen für die Genehmigung der ständigen Ausreise in die Bundesrepublik.
Am Montag während der Leipziger Herbstmesse fand auf dem Platz vor der Nikolaikirche auch eine Demonstration von Mitgliedern Leipziger Basisgruppen statt. Sie trugen große Transparente, auf denen unter anderem "Für ein offenes Land mit freien Menschen" zu lesen war. Nur wenige Sekunden nach dem Entrollen rissen junge Männer in Zivil die Plakate herunter. Darauf rief die Menge: "Stasi raus". Diese Vorgänge wurden von den anwesenden westlichen Kameras gefilmt und in die ganze Welt übertragen.
Neu an diesem Abend war auch der Ruf der Demonstranten "Wir bleiben hier". Die bis dahin bestehende Barriere zwischen den "Ausreisern", die den Platz mit dem Satz "Wir wollen raus" beherrscht hatten, und den "Hierbleibern" war gebrochen. An den folgenden Montagen demonstrierten sie gemeinsam für eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, wenn auch mit unterschiedlichen Motivationen.

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